Nach § 650f Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Unternehmer vom Besteller Sicherheit für die auch in Zusatzaufträgen vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen, die mit 10 Prozent des zu sichernden Vergütungsanspruchs anzusetzen sind, verlangen. Hat der Unternehmer dem Besteller erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung der Sicherheit bestimmt, so kann der Unternehmer die Leistung verweigern oder den Vertrag kündigen, § 650f Abs. 5 Satz 1 BGB. Wie die Vergütung des Unternehmers im Streitfall zu ermitteln ist, hat der BGH in seinem Urteil vom 17.08.2023 - VII ZR 228/22 eingehend dargelegt:
- Nach der Kündigung ist dem Sicherungsanspruch nicht mehr die ursprüngliche vertragliche Vergütung, sondern unter Berücksichtigung der unstreitig erfolgten Kündigungserklärungen eine Vergütung gemäß § 650f Abs. 5 Satz 2 BGB zugrunde zu legen (Rn. 24).
- Die Kündigungserklärung des Unternehmers gemäß § 650f Abs. 5 Satz 1 Fall 2 BGB hat keinen Einfluss auf den Anspruch auf Sicherheit gemäß § 650f Abs. 1 BGB dem Grunde nach, der (weiterhin) der Sicherung des Anspruchs auf die vereinbarte und nicht gezahlte Vergütung dient (Rn. 29).
- Wenn im Rahmen einer Sicherungsklage gemäß § 650f Abs. 1 BGB die Höhe der Unternehmervergütung zwischen den Parteien umstritten ist, ist das Gericht nicht berechtigt, die Sicherheitsleistung, zu der es den Besteller verurteilt, in freier Überzeugung gemäß § 287 Abs. 2 ZPO festzusetzen. Ein Abzug bei der Höhe der Sicherheit unter Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO kommt nicht in Betracht (Rn. 31).
- Für den Fall einer Kündigung des Bauvertrages reicht es aus, dass der hieran angepasste Vortrag des Unternehmers im Klageverfahren zur Höhe der Vergütung schlüssig ist, um hiernach die Höhe der geforderten Sicherung zu bemessen (Rn. 32).
- Das entscheidende Gericht ist aber berechtigt, einen - streitigen - Abzug von der schlüssig dargelegten Vergütungsforderung ausnahmsweise nach Maßgabe von § 286 ZPO festzustellen, wenn damit der Rechtsstreit nicht verzögert wird (Rn. 32).
- Auf die Wahrscheinlichkeit der vollständigen Durchsetzung der Vergütungsforderung des Unternehmers im Vergütungsprozess kommt es nicht an. Zum einen ist die Klage auf Sicherheitsleistung gemäß § 650f BGB kein besonderes Verfahren ähnlich einem Arrest- oder einstweiligen Verfügungsverfahren, in dem es allein auf eine Glaubhaftmachung ankommt. Zum anderen knüpft die Bemessung der Höhe der Sicherheit materiell-rechtlich zwar an die Vergütung an. Jedoch ist in bestimmten Fällen, in denen nicht feststeht, ob oder in welcher Höhe sich die Vergütung verringert hat, die Höhe der Sicherheit unbeschadet dieser möglichen Änderung zu bemessen, wie der BGH bereits in seinem Urteil vom 06.03.2014 - VII ZR 349/12 entschieden hat (Rn. 33).
- Sind die tatsächlichen Voraussetzungen der schlüssig dargelegten Vergütungshöhe streitig und führt deren Klärung zu einer Verzögerung bei der Durchsetzung des Sicherungsanspruchs, liegen die Voraussetzungen vor, bei denen die Höhe der Sicherheit nach einer Kündigung - ausgehend von der ursprünglichen Vergütung - in der vom Unternehmer schlüssig dargelegten Höhe seines ihm nunmehr zustehenden Vergütungsanspruchs zu bemessen ist (Rn. 42).
- Eine vom Besteller erklärte Aufrechnung bleibt gemäß § 650f Abs. 1 Satz 4 BGB bei der Berechnung der Vergütung unberücksichtigt, es sei denn, sie sind unstreitig oder rechtskräftig festgestellt. Die Vorschrift erfasst dabei ihrem Sinn nach auch eine bereits erklärte Aufrechnung (Rn. 45).
- Ansprüche nach § 2 Abs. 5 oder 6 VOB/B in Verbindung mit § 1 Abs. 3 oder Abs. 4 Satz 1 VOB/B sind solche auf Zahlung einer "auch in Zusatzaufträgen vereinbarten Vergütung" im Sinne von § 650f Abs. 1 Satz 1 BGB. Dies gilt auch, wenn die in diesen Bestimmungen vorgesehene Vereinbarung über den neuen Preis beziehungsweise über die besondere Vergütung nicht zustande kommt. Das Gericht muss in diesen Fällen für den Anspruch auf Stellung einer Sicherheit gemäß § 650f Abs. 1 Satz 1 BGB feststellen, ob der Rechtsgrund für einen zusätzlichen Vergütungsanspruch nach § 2 Abs. 5 oder 6 VOB/B gegeben ist, während hinsichtlich der Höhe des Vergütungsanspruchs ein schlüssiger Vortrag des Auftragnehmers ausreicht. Dies gilt auch bei etwaige Ansprüche nach § 650c Abs. 1 und 2 BGB. Insoweit verweist der BGH auf sein Versäumnisurteil vom 20.10.2022 - VII ZR 154/21 (Rn. 47).