In der Praxis der Technischen Versicherung und insbesondere der Bauleistungsversicherung kommt es nicht selten vor, dass den versicherten Baubeteiligten der eingetretene Schadensfall nicht ungelegen kommt. Etwaige nicht versicherte Mängel und Vorschäden sollen im Zuge der Schadensregulierung „miterledigt“ werden. Mit Urteil vom 15.01.2023 – 3 U 105/22 hat das OLG Frankfurt sich mit der Abgrenzung und den Auswirkungen dessen auf die Beweisführung im Prozess auseinandergesetzt.
Problem/Sachverhalt
Der Versicherungsnehmer (VN) schloss mit dem Bauherrn einen Vertrag über die Montage der Dachelemente an einem Bauvorhaben. Ein Subunternehmer des VN führte die Dacheindeckung aus. Letztgenannte bestand aus einer Trapezblecheindeckung in Sandwichbauweise, in die insgesamt 34 Lichtkuppeln eingelassen waren. Die Kuppeln waren jeweils außen mit einem Dachabdichtungsstreifen aus verzinktem Stahlblech umfasst. Der Subunternehmer erbrachte seine Leistungen nach der Behauptung des VN mangelfrei. Eine Abnahme erfolgte indes nicht. Sodann kam es zu einem Hagelschlag. Einige Lichtkuppeln wurden vom Hagel durchschlagen und die einrahmenden Zinkbleche verbeult. An der Sandwich-Trapezblecheindeckung entstanden mindestens optische Beeinträchtigungen. Der Subunternehmer erneuert einen Teil, d.h. 18 Lichtkuppeln nebst verzinkten Stahlblechen, und rechnet hierfür 52.351,60 € ab. Für die vollständige Beseitigung des Hagelschadens unterbreitet der Subunternehmer ein Angebot über weitere rund 400.000 €.
Der VN unterhält eine Bauleistungsversicherung auf Basis der ABN 2008 bei dem VR. Der VR erstattet rund 11.000 € für optische Mängel. Die Rechnung des Subunternehmers entschädigt er unter Abzug der Kosten für die Baustelleneinrichtung, des Selbstbehalts sowie der Gerüstkosten. Der VN klagt den Differenzbetrag von rund 400.000 €, bestehend aus der Rechnung und dem Angebot abzüglich der geleisteten Entschädigung, ein.
Entscheidung
Die Klage hat keinen Erfolg! Anders als das LG weist das OLG zutreffend darauf hin, dass es nicht darauf ankommt, ob der Bauherr die Abnahme nicht verweigern durfte, da nur ein unwesentlicher Mangel vorlag.
Dem VN sei der Beweis nicht gelungen, dass der geltend gemachte Schaden auf einem versicherten Ereignis beruhe. Der Gerichtssachverständige hätte überzeugend ausgeführt, dass nicht alle Beschädigungen an den Trapezblechen auf dem Hagelschaden beruhen. Zahlreiche Schäden waren auf Fehlbohrungen, Verätzungen, Deformationen und Verkratzungen zurückzuführen. Diese Schäden waren sogar massiver als der Hagelschaden. Sie stellten Mängel und Schäden an Metalloberflächen durch eine Tätigkeit an diesen dar. Hierfür bestehe nach A § 2 Nr. 4 a) aa) ABN 2008 kein Versicherungsschutz. Soweit der Sachverständige von typischen Transportschäden ausgehe, liege kein Versicherungsfall vor. Der Schaden sei nicht unvorhergesehen gem. A § 2 Nr. 1 ABN 2008 eingetreten.
Der VN muss beweisen, dass der behauptete Schaden auf dem versicherten Ereignis beruht. Nur soweit der geltend gemachte Schaden technisch und rechnerisch eindeutig vom Vorschaden abgrenzbar ist, besteht jedenfalls aufgrund dessen ein Ersatzanspruch des Geschädigten. Ist eine zuverlässige Ermittlung auch nur eines unfallbedingten Teilschadens aufgrund der Wahrscheinlichkeit von erheblichen Vorschäden nicht möglich, so hat diese Unsicherheit die vollständige Klageabweisung zur Folge. Diese Grundsätze aus der Kfz-Unfallhaftung überträgt der Senat auf die Sachversicherung.
Praxishinweis
Die zu den ABN 2008 ergangene Entscheidung ist sowohl auf die ABN 2011 als auch die ABBL 2018 und die ABU 2008/2011 übertragbar, da die Grundsätze dort dieselben sind. Das OLG Frankfurt schneidet dem VN den Rückgriff auf die Wohltat der Schadensschätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO ab. Hierzu überträgt es überzeugend die Rechtsprechung zur Haftung bei Verkehrsunfällen (BGH, Beschl. v. 10.02.1981 - VI ZR 182/79; OLG Düsseldorf, Urt. v. 07.03.2017 – 1 U 31/16). Danach bleibt es bei dem strengeren Beweismaß des § 286 ZPO, wenn der VN mit der ordnungsgemäßen Substantiierung seines Anspruchs hartnäckig zurückhält und die zumutbare Mitwirkung am Beweisverfahren verweigert. Will der VN seinen Entschädigungsanspruch durchsetzen, hat er den geltend gemachten Schaden im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren vom Vorschaden abzugrenzen.