Ansprüche des Auftragnehmers wegen Bauzeitverzögerung werden bei VOB/B-Bauverträgen regelmäßig auf § 2 Abs. 5 VOB/B (Vergütungsanspruch), § 6 Abs. 6 VOB/B (Schadensersatzanspruch) oder § 642 BGB (verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch) gestützt. Gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B ist für den Fall, dass durch Änderung des Bauentwurfs oder andere Anordnungen des Auftraggebers die Grundlagen des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung geändert werden, ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren. Kommt eine solche Vereinbarung nicht zustande, kann der Auftragnehmer den sich aus § 2 Abs. 5 VOB/B ergebenden Vergütungsanspruch im Wege der Klage geltend machen (vgl. BGH, Urteil vom 20.08.2009 – VII ZR 205/07, Rn. 61 m.w.N.). Nach § 6 Abs. 6 Satz 1 VOB B steht den Vertragsparteien des VOB/B-Bauvertrages ein Anspruch auf Ersatz des nachweislich entstandenen Schadens zu, wenn die hindernden Umstände von einem Vertragsteil zu vertreten sind dem Auftragnehmer gegen den Auftraggeber. Für den entgangenen Gewinn gilt dies aber nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. § 642 BGB regelt einen verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch des Auftragnehmers, wenn der Auftraggeber eine ihm obliegende Mitwirkungshandlung unterlässt, die bei der Herstellung des Werks erforderlich ist, und der Auftraggeber hierdurch in Annahmeverzug gerät. Der BGH hat in seinem Urteil vom 19.09.2024 – VII ZR 10/24 zu den Voraussetzungen der drei Anspruchsgrundlagen eingehend Stellung genommen.
Danach lässt sich für die vorstehenden Anspruchsgrundlagen für Bauzeitverzögerungsansprüche Folgendes zusammenfassend festhalten:
Eine Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B erfordert eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Auftraggebers, mit der einseitig eine Änderung der Vertragspflichten des Auftragnehmers herbeigeführt werden soll. (in diesem Sinne bereits BGH, Urteil vom 09.04.1992 – VII ZR 129/91, BauR 1992, 759). Für die Änderung des Bauentwurfs, die der Auftraggeber gemäß § 1 Abs. 3 VOB/B anordnen darf, gilt nichts anderes.
Ob ein Verhalten oder eine Erklärung des Auftraggebers als Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B auszulegen ist, beurteilt sich nach §§ 133, 157 BGB.
Liegt eine Störung des Vertrags aufgrund einer Behinderung vor, die faktisch zu einer Bauzeitverzögerung führt, und teilt der Auftraggeber dem Auftragnehmer den Behinderungstatbestand und die hieraus resultierende Konsequenz mit, dass die Leistungen derzeit nicht erbracht werden können, liegt nach diesem Maßstab keine Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B vor.
Die Übermittlung von Bauablaufplänen stellt ebenfalls keine Anordnung des Auftraggebers im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B dar, wenn mit ihnen lediglich auf behinderungsbedingte Störungen des Vertrags reagiert wird. Dies gilt auch, wenn darin im Hinblick auf die Behinderungen und die deshalb gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B verlängerten Ausführungsfristen zeitliche Konkretisierungen erfolgen.
Von der Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B sind nach der Systematik der VOB/B Störungen des Vertrags aufgrund von Behinderungen abzugrenzen, die faktisch zu Bauzeitverzögerungen führen. Derartige Störungen können zwar bei Einbeziehung der VOB/B in den Vertrag unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B zu einer Änderung vertraglich vereinbarter Ausführungsfristen führen; dies beruht jedoch nicht auf einer Anordnung des Auftraggebers, sondern auf der Vereinbarung des § 6 VOB/B durch die Parteien.
Störungen aufgrund von Behinderungen führen nach der Systematik der VOB/B daher nicht zu einem Mehrvergütungsanspruch nach § 2 Abs. 5 VOB/B, sondern zu Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen nach § 6 Abs. 6 Satz 1 VOB/B beziehungsweise § 6 Abs. 6 Satz 2 VOB/B in Verbindung mit § 642 BGB, wenn der Auftraggeber vertragliche Verpflichtungen oder ihm obliegende Mitwirkungshandlungen nicht erfüllt (vgl. BGH, Urteil vom 26.10.2017 – VII ZR 16/17, Rn. 40, BGHZ 216, 319; Urteil vom 20.04.2017 – VII ZR 194/13, Rn. 16, BGHZ 214, 340).
Der Schadensersatzanspruch des Auftragnehmers nach § 6 Abs. 6 Satz 1 VOB/B setzt voraus, dass die Bauzeitverzögerung adäquat-kausal durch hindernde Umstände verursacht worden ist, die auf der Verletzung einer vertraglichen Pflicht durch den Auftraggeber beruhen. Umstände aus der Risikosphäre des Auftraggebers, die nicht auf einer Pflichtverletzung beruhen, genügen nicht als Voraussetzung dieses Anspruchs. (vgl. BGH, Urteil vom 20.10.2005 – VII ZR 190/02, BauR 2006, 371 = NZBau 2006, 108; Urteil vom 21.10.1999 – VII ZR 185/98, BGHZ 143, 32; Urteil vom 16.10.1997 – VII ZR 64/96, BGHZ 137, 35).
Der Auftragnehmer hat in einem Prozess unter anderem schlüssig darzulegen, dass er durch eine Pflichtverletzung des Auftraggebers behindert worden ist. Es reicht grundsätzlich nicht aus, eine oder mehrere Pflichtverletzungen vorzutragen. Der Auftragnehmer muss vielmehr substantiiert zu den dadurch entstandenen Behinderungen seiner Leistung vortragen. Dazu ist in der Regel eine konkrete, bauablaufbezogene Darstellung der jeweiligen Behinderung erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 24.02.2005 – VII ZR 141/03, BGHZ 162, 259).
Die Frage, ob und inwieweit eine Pflichtverletzung zu einer Behinderung führt, ist nach allgemeinen Regeln der Darlegungs- und Beweislast gemäß § 286 ZPO zu beurteilen. Weder der Umstand, dass überhaupt eine Behinderung vorliegt, noch die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Behinderung ist einer einschätzenden Bewertung im Sinne des § 287 ZPO zugänglich (vgl. BGH, Urteil vom 24.02.2005 – VII ZR 141/03, BGHZ 162, 259).
§ 642 BGB gewährt dem Auftragnehmer eine angemessene Entschädigung dafür, dass er während des Annahmeverzugs des Auftraggebers infolge Unterlassens einer diesem obliegenden Mitwirkungshandlung Personal, Geräte und Kapital, also die Produktionsmittel zur Herstellung der Werkleistung, bereithält. Der Anspruch ist auf die Dauer des Annahmeverzugs begrenzt (vgl. BGH, Urteil vom 30.01.2020 – VII ZR 33/19, Rn. 42, BGHZ 24, 328; Urteil vom 26.10.2017 – VII ZR 16/17, Rn. 18 ff., BGHZ 216, 319).