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Coronavirus – Auswirkungen auf die Bauleistungsversicherung

Das öffentliche Leben wird derzeit in ganz Europa immer weiter heruntergefahren, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Zahlreiche Bundesländer haben bereits Sperrzonen, umfassende Ausgehbeschränkungen oder sogar -verbote angeordnet oder denken hierüber – abhängig von der weiteren Entwicklung – nach. Hiervon werden Bauvorhaben in unterschiedlichster Form betroffen sein: sei es, dass einzelne Arbeitnehmer oder ganze Betriebe sich in eine von den zuständigen Gesundheitsbehörden angeordnete Quarantäne begeben müssen, sei es, dass Baustellen, Lagerplätze oder Produktionsstätten für Baumaterialien sich in Gebieten befinden, die unter Quarantäne gestellt werden. Für die sich daraus ergebenden Schäden stellt sich die Frage nach einem möglichen Versicherungsschutz im Rahmen der Bauleistungsversicherung.

 

Ein Erstattungsanspruch in der Bauleistungsversicherung setzt eine unvorhergesehen eintretende Beschädigung oder Zerstörung von versicherten Sachen (Sachschaden) voraus. Unvorhergesehen sind Schäden, die der Auftraggeber oder die beauftragen Unternehmen oder deren Repräsentanten weder rechtzeitig vorhergesehen haben noch mit dem für die im Betrieb ausgeübte Tätigkeit erforderlichen Fachwissen hätten vorhersehen können. Sofern sich der Erreger auf Baumaterialien niederschlagen bzw. ablagern sollte, dürfte dies keinen Sachschaden im Sinne der ABBL darstellen. Nach ganz einhelliger Meinung setzt der Sachschaden – in Abgrenzung zu Verschmutzungen – eine nachhaltige Beeinträchtigung voraus. So stellt eine Verschmutzung, bei der der Schmutz keine derart starke Verbindung mit der Substanz eingeht, dass diese dadurch nachhaltig beeinträchtigt wird, keinen Sachmangel dar. Ähnlich dürfte es bei dem Coronavirus sein, der nach den derzeit den Medien zu entnehmenden Einschätzungen nur eine sehr begrenzte Haltbarkeit von einigen Stunden bis maximal 2 oder 3 Tagen hat. Damit dürfte es regelmäßig schon an einem Sachschaden durch den Coronavirus selbst fehlen.

 

Denkbar ist auch, dass ein versichertes Bauvorhaben von den zuständigen Behörden unter Quarantäne gestellt wird oder in einer Region liegt, die in dieser Form unter Quarantäne gestellt worden ist. Wenn dann zeitkritische Arbeiten – bspw. das Gießen einer Betonbodenplatte – nicht durchgeführt oder nicht zu Ende geführt werden können, also bspw. die Betonbodenplatte nicht zum Schutz vor zu schnellem Austrocknen feucht gehalten werden kann, da die Quarantäne keinen Zutritt der Baustelle ermöglicht, kann es zu Schäden (z.B. Rissen) kommen. Diese mögen unter Umständen sogar unvorhergesehen eingetreten sein. Jedoch leistet der Versicherer nach A1-2.2 Ziffer 6 ABBL 2018 ohne Berücksichtigung mitwirkender Ursachen keine Entschädigung für Schäden durch Verfügungen von hoher Hand. Ein entsprechender Leistungsausschluss existiert in den Vorläuferbedingungen ebenfalls, die vielen Verträgen noch zugrunde liegen (A § 2 Nr. 4 lit i) ABN 2008 / 2011 bzw. A § 2 Nr. 4 lit i) ABU 2008 / 2011). Unter einer Verfügung von hoher Hand versteht man berechtigte oder auch unberechtigte Maßnahmen der Staatsgewalt. Eine Quarantäne-Anordnung der zuständigen Behörde stellt eine derartige Verfügung von hoher Hand dar. Ist der eingetretene Schaden hierauf zurückzuführen, besteht kein Versicherungsschutz. Dies gilt unabhängig von anderen – möglicherweise versicherten – Ursachen des Schadenseintritts. Ein Erstattungsanspruch aus der Bauleistungsversicherung bestünde also nicht.

 

Der Leistungsausschluss dürfte genauso gelten, wenn ein Sachschaden auf der Baustelle eintritt, da die Arbeitnehmer infolge einer strengen Quarantäne-Anordnung an ihrem von der Baustelle verschiedenen Wohnort, nicht auf der Baustelle erscheinen können. Notwendige Arbeiten von ihnen also aufgrund Ihrer Quarantäne nicht durchgeführt werden können. Dass den Versicherungsnehmer bzw. den Mitversicherten hieran kein Verschulden tritt, ist unerheblich, da es sich um einen objektiven Risikoausschluss handelt.

 

Sollte die Bedrohung durch den Corovavirus länger anhalten und es dadurch zu einer andauernden, nicht auf eine behördliche Anordnung zurückzuführende Unterbrechung der Bautätigkeit kommen, bspw. weil die ausführenden Unternehmen sich aufgrund ihrer Fürsorgepflicht freiwillig zur Arbeitseinstellung entscheiden oder die Bauvertragsparteien dies einvernehmlich vereinbart haben, sind daraus resultierende Schäden verschiedenster Art denkbar. Erfahrungsgemäß sind unbewachte Bauvorhaben schadensträchtiger. Derartige Schäden könnten dem Leistungsausschluss nach A1-2.2 Ziffer 11 ABBL 2018 (gleichlautend: A § 2 Nr. 4 lit. e) ABN/ABU 2008/2011) unterfallen. Danach leistet der Versicherer ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen keine Entschädigung für Schäden während und infolge einer Unterbrechung der Arbeiten am Versicherungsort oder einem Teil davon, wenn diese bei Eintritt des Versicherungsfalls bereits mehr als __ Monat(e) gedauert hat. Häufig wird der individuell zu vereinbarende Zeitraum in Anlehnung an § 6 Abs. 7 VOB/B mit 3 Monaten festgelegt. Der Versicherer ist dann mit Ablauf des vereinbarten Zeitraums hinsichtlich aller Schäden leistungsfrei, die danach während oder infolge der fortdauernden Unterbrechung der Arbeiten auf dem Baugrundstück entstanden sind. Da es sich bei dieser Klausel ebenfalls um einen objektiven Risikoausschluss handelt, kommt es auf ein Verschulden des Versicherungsnehmers oder des Mitversicherten nicht an.

 

Praxishinweis

 

Anders als in vielen anderen Versicherungszweigen sind Schäden durch den Coronavirus – oder allgemeiner: durch das Risiko übertragbarer Krankheiten - nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Vielmehr handelt es sich bei der Bauleistungsversicherung um eine Allgefahrenversicherung, so dass auch dieses Risiko mitversichert ist. Allerdings ist regelmäßig im Einzelfall zu prüfen, ob die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs tatsächlich vorliegen. Direkt durch den Virus verursachte Sachschäden sind nur schwer vorstellbar. Mittelbare Schäden durch fehlende Arbeitskräfte dürften häufig einem Leistungsausschluss unterliegen.

 

Ob der Ihnen angezeigte Schadensfall infolge Corona zu erstatten ist und wie danach weiter zu verfahren ist, prüfen wir gerne für Sie!

 


Stefan Schmitz-Gagnon