| Versicherungsrecht

Der Qualitätselementschaden des Versorgungsunternehmens

Werden im Zuge von Bauarbeiten Stromkabel beschädigt, so entsteht dem Betreiber des Leitungsnetzes neben dem üblichen Sachschaden zusätzlich regelmäßig ein sogenannter Qualitätselementschaden. Mit Urteil vom 08.05.2018 – VI ZR 295/17 – hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Verursacher des Schadens dem Netzbetreiber diesen zu ersetzen hat. Trotz des eindeutigen und unmissverständlichen Urteils verläuft die Durchsetzung der Ansprüche der Versorgungsunternehmen nicht immer reibungslos.

 

Was ist ein Qualitätselementschaden?

 

Ein Qualitätselementschaden tritt ein, wenn die Beschädigung eines Stromkabels eine Versorgungsunterbrechung zur Folge hat. Eine solche Unterbrechung wirkt sich negativ auf die Netzzuverlässigkeit aus. Durch die verminderte Netzzuverlässigkeit wird das sogenannte Qualitätselement des von einem Versorgungsunternehmen betriebenen Leitungsnetzes von der Bundesnetzagentur abgewertet. Diese Abwertung schränkt die Möglichkeit des Versorgungsunternehmens, Erlöse aus den Netzzugangsentgelten zu erwirtschaften, der Höhe nach ein. Die daraus entstehenden Einbußen stellen den sogenannten Qualitätselementschaden dar.

 

Dies funktioniert wie folgt: Die Bundesnetzagentur ist nach § 21a Abs. 1 EnWG i. V. m. § 18 ff. Anreizregulierungsverordnung (ARegV) ermächtigt, für jeden Netzbetreiber eine Erlösobergrenze für den aus Netzzugangsentgelten (vgl. § 21 EnWG) entstehenden Gesamterlös durch Beschluss festzusetzen. Die Höhe dieser Erlösobergrenze bemisst sich nach der Zuverlässigkeit (§ 18 ARegV) und Leistungsfähigkeit (§ 19 ARegV) des Leitungsnetzes. Vereinfacht gesagt: Mit jedem Netzausfall sinkt der zu erzielende Gewinn des Netzbetreibers.

 

Gesetzgeber und Bundesregierung haben dieses System implementiert, um einen verhältnismäßigen Ausgleich von Unterschieden zwischen den von den einzelnen Versorgungsunternehmen betriebenen Leitungsnetzen in Sachen Netzqualität und Netzzuverlässigkeit zu schaffen. So soll das natürliche, regionale Monopol der Netzbetreiber aufgebrochen und ein simulierter Wettbewerb geschaffen werden. Ein System monetären Ausgleichs soll eine gute Netzqualität belohnen und eine schlechte sanktionieren.

 

Das Qualitätselement wird auch für Gasleitungsnetze festgesetzt.

 

Wer haftet für einen Qualitätselementschaden?

 

Mithilfe einer mathematischen Gleichung, von deren Darstellung aufgrund ihres Umfangs hier abgesehen wird, wirkt sich jede zeitlich nicht nur unerhebliche Unterbrechung des Leitungsnetzes zu einem exakt berechenbaren Anteil auf die Erlösobergrenze aus.

 

Ist der Störfall von einem Dritten verursacht worden, also hat zum Beispiel ein Tiefbauunternehmen mit seinem Bagger eine Stromleitung durchtrennt, so kann der Dritte als Schädiger in Höhe seines Anteils an der verminderten Erlösobergrenze auf Ersatz des entgangenen Gewinns nach § 252 BGB in Anspruch genommen werden.

 

Voraussetzung ist dabei immer, dass der Schädiger dem Grunde nach für den Schaden haftet, was maßgeblich unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zu Leitungsschäden vor der Inanspruchnahme zu bewerten.

 

Wer kann den Qualitätselementschaden geltend machen?

 

Grundsätzlich ist ein Versorgungsunternehmen aktivlegitimiert, den Anspruchs auf Ersatz des Qualitätselementschadens geltend zu machen.

 

Wie und auf welcher Rechtsgrundlage dies geschieht, hängt jedoch von den Umständen des Einzelfalls ab. Hierbei ist insbesondere maßgeblich, wer Eigentümer, Besitzer und Betreiber des Leitungsnetzes ist. Das Versorgungsunternehmen hat nicht zwingend alle drei Rechtsstellungen inne.

 

Wann verjährt ein Qualitätselementschaden?

 

Die Verjährung ist abhängig von der Anspruchsgrundlage, aufgrund derer das geschädigte Versorgungsunternehmen den Ersatz des Qualitätselementschadens verlangen kann. Hier kommen für gesetzliche und vertragliche Haftungsansprüche jeweils unterschiedliche Verjährungsfristen in Betracht.

 

Die Verjährung beginnt in der Regel jedoch nicht mit Entstehung des Anspruchs sondern mit der Kenntnis von Schaden und Schädiger. Dieser Zeitpunkt ist – gerade bei Qualitätselementschäden – im Einzelfall häufig schwer zu ermitteln. Während der Sachschaden (= Beschädigung des Stromkabels) in der Regel bereits unmittelbar nach dessen Eintritt bekannt wird, wirkt sich der Netzausfall oft erst Jahre später schadensverursachend auf die Erlösobergrenze aus.

 

Unter Umständen verjähren die Ansprüche damit bereits, bevor der Schaden überhaupt bezifferbar ist.

 

Zusammenfassung

 

Die außerprozessuale Kommunikation über den Qualitätselementschaden führt – auch wegen der Komplexität der Materie – häufig nicht zum gewünschten Ergebnis, weshalb Versorgungsunternehmen auf die gerichtliche Durchsetzung angewiesen sind. Dabei gilt es selbst dann, wenn die Haftung dem Grunde nach feststeht, die unterschiedlichen, oben skizzierten speziellen Problemfelder des Qualitätselementschadens zu beachten.

 

Bei guter interdisziplinärer Zusammenarbeit auf technischer und juristischer Ebene kann das Versorgungsunternehmen solche Prozesse regelmäßig erfolgreich führen und sich auf diese Weise weitgehend schadlos halten.


David A. Bühler