Ist in der Gebäudeversicherung eine Entschädigung zum gleitenden Neuwert oder zum Neuwert vereinbart, erwirbt der Versicherungsnehmer regelmäßig auf den Teil der Entschädigung, der den Zeitwertschaden übersteigt (Neuwertanteil), einen Anspruch nur, soweit und sobald er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sichergestellt hat, dass er die Entschädigung verwenden wird, um Gebäude in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen. Ist die Wiederherstellung an der bisherigen Stelle rechtlich nicht möglich oder wirtschaftlich nicht zu vertreten, so genügt es, wenn das Gebäude an anderer Stelle innerhalb der Bundesrepublik Deutschland wiederhergestellt wird; auch in diesem Fall bleibt es bei dem Entschädigungsbetrag, der bei einer Wiederherstellung an der bisherigen Stelle entstanden wäre (vgl. nur Abschnitt A § 8 Nr. 2 AFB 2010 und Abschnitt A § 13 Nr. 7 VGB 2016).
Problem/Sachverhalt
In dem vom OLG Brandenburg zu entscheidenden Fall (Urteil vom 21.12.2022 - 11 U 244/20) hatte der Kläger eine verbundenen Firmen-Sachversicherung (VFS 08) bei der Beklagten abgeschlossen. Diese setzt - wie die AFB 2010 und die VGB 2016 - bei einer Regulierung der Gebäudeschäden auf Basis des Neuwerts voraus, dass innerhalb von drei Jahren die Wiederherstellung durchgeführt wird oder sichergestellt ist.
Nach einem Brandschaden am 16.09.2018 machte der Kläger den Neuwertschaden geltend. Die Beklagte ersetzte aber nur den Zeitwertschaden. Auf die daraufhin erhobene Klage wies das Landgericht Potsdam den Anspruch auf die Neuwertspitze als derzeit unbegründet ab. Der Anspruch sei noch nicht fällig. Die Wiederherstellung sei weder durchgeführt noch sichergestellt. Dagegen legt der Kläger Berufung ein.
Entscheidung
Das OLG weist die Klage jedoch endgültig ab. Bei § 17 Nr. 2 VFS 08 handele es sich um eine strenge Wiederherstellungsklausel. Die Sicherstellung der Wiederherstellung innerhalb von drei Jahren sei daher nicht nur Voraussetzung für die Fälligkeit, sondern für die Anspruchsentstehung. Die Sicherstellung, dass die Entschädigung bedingungsgemäß verwendet wird, muss dabei sehr hohen Anforderungen genügen, um Manipulationen möglichst auszuschließen. Zwar bedarf es nicht zwingend des Abschlusses eines entsprechenden Bauwerkvertrags und kommt es ebenso wenig darauf an, ob die gesamten finanziellen Mittel vom Versicherungsnehmer letztlich ausgegeben (also verbaut) werden müssen, so dass keinen Nachteil erleiden darf, wer den bereits vollzogenen Wiederaufbau eines gleichwertigen Gebäudes kostengünstiger bewerkstelligt hat; notwendig sind zuvor aber immer Vorkehrungen, die - selbst wenn sie eine restlose Sicherheit nicht bieten - bei vorausschauend-wertender Betrachtung jedenfalls keine vernünftigen Zweifel an der Wiederherstellung (das heißt dem Eintritt des Erfolges) aufkommen lassen, was etwa bei bloßen Absichtsbekundungen oder bei Maßnahmen, die ohne Weiteres wieder rückgängig gemacht werden können, nicht zutrifft. Da der Kläger aber weder den Wiederaufbau innerhalb der Dreijahresfrist durchgeführt noch die Mittelverwendung sichergestellt hatte, besteht ein Anspruch auf den Neuwertanteil nicht.
Praxishinweis
Sinn einer strengen Wiederherstellungsklausel ist es, das subjektive Risiko des Versicherers zu begrenzen, der davor geschützt werden soll, dass der Versicherungsnehmer - wie bei freier Verwendbarkeit einer Versicherungssumme - in Versuchung geraten könnte, sich durch Vortäuschen eines Versicherungsfalles Vermögensvorteile zu verschaffen (vgl. nur BGH, Urteil vom 18.02.2004 - IV ZR 94/03).
Ist der Versicherer nach dem Vertrag verpflichtet, einen Teil der Entschädigung nur bei Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung der versicherten Sache zu zahlen, kann der Versicherungsnehmer nach der gesetzlichen Regelung in § 93 Satz 1 VVG die Zahlung eines über den Versicherungswert hinausgehenden Betrags erst verlangen, wenn die Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung gesichert ist. Von einer Sicherstellung ist nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. nur Urteil vom 20.07.2011 - IV ZR 148/10) auszugehen, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine bestimmungsgemäße Verwendung der Entschädigung erwartet werden kann.