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Gefährliches Überholmanöver ist keine Rennveranstaltung im Sinne der AKB

Ein Porsche-Fahrer raste mit über 140 km/h über eine Landstraße, um einen Audi R8 abzuhängen. Erlaubt war Tempo 70. Der Audi hielt über mehrere Kilometer dagegen. In einer Rechtskurve verlor der Porsche-Fahrer die Kontrolle über seinen neuen Wagen, geriet auf die Gegenspur und prallte dort mit einem unbeteiligten Auto zusammen. Er und der andere Fahrer wurden schwer verletzt; der schwarze Porsche 911 Carrera erlitt einen Totalschaden. Dennoch musste die Kfz-Versicherung den Kaskoschaden des rasenden Porsche-Fahrers voll ersetzen, wie das OLG München mit Urteil vom 24.05.2019 – 10 U 500/16 entschieden hat.

 

Hauptsache gut versichert: Versicherung bei grober Fahrlässigkeit

 

Der Porsche-Fahrer hatte für seinen Sportwagen eine Vollkasko-Premium-Versicherung abgeschlossen. Nach den vereinbarten AKB greift der Versicherungsschutz nicht nur bei Fahrlässigkeit, sondern auch bei „grober Fahrlässigkeit“. Ausgeschlossen sind Vorsatz und die Teilnahme an Autorennen. Genau das aber hatte die Versicherung dem Porsche-Fahrer vorgeworfen und verweigerte deshalb den Versicherungsschutz. Der Porsche-Fahrer verklagte die Versicherung vor dem Landgericht München I und gewann (Endurteil vom 29.12.2015 – 12 O 19731/14). Der Versicherer ging in Berufung – und hat erneut verloren. Der Versicherer mit Sitz in München musste an den Kläger für seinen „geschrotteten“ Porsche rund 82.200 € zahlen.

 

Entscheidung

 

Das Oberlandesgericht entschied sich, keinen Vorsatz zu sehen – entscheidend dafür, ob der Versicherungsschutz greift oder nicht. Das Vorliegen einer „Fahrveranstaltung“ im Sinne von A.2.17.3. der AKB hat das Gericht ebenfalls verneint. Der Senat glaubte dem Kläger, dass es mit dem Audi-Fahrer keine Verabredung zu einem Rennen gab und es dem Kläger nicht auf die Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit, sondern darauf ankam, sich von dem dicht hinter ihm bedrängend fahrenden Audi R8 abzusetzen. Der Audi-Fahrer habe seinen Vordermann (den Kläger), genötigt. – Der Kläger sei gerast, um seinen Porsche zu schützen!

 

Fazit

 

Risikoausschluss «Rennveranstaltung» greift nicht bei bedrängtem Fahrer

 

Leitsätze:

 

  1. Der für Rennen in den AKB vorgesehene Risikoausschluss gilt für Rennen jeder Art, insbesondere Geschwindigkeits-, Touren-, Sternfahrten u. ä., solange es um die Erzielung der höchsten Geschwindigkeit geht, mag diese auch nach den gegebenen Voraussetzungen in der absoluten Ziffer niedriger liegen können als bei Rennveranstaltungen im engeren Sinn. (Rn. 17)
     
  2. Erfordert der Risikoausschluss nach den einschlägigen AKB eine (Renn-) „Veranstaltung“ so fallen im Straßenverkehr unternommene Versuche von Verkehrsteilnehmern, an anderen Verkehrsteilnehmern vorbei zu fahren, diese zu überholen bzw. die Versuche der jeweils anderen Verkehrsteilnehmer, eben dies zu verhindern, auch dann nicht darunter, wenn dies unter Verletzung von Verkehrsvorschriften erfolgt (OLG Bamberg, Beschluss vom 23.02.2010 – 1 U 161/09, VersR 2010, 1029). (Rn. 18)
     
  3. Bedingter Vorsatz liegt vor, wenn der Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht völlig unwahrscheinlich erkannt und gebilligt wird. Die Annahme einer Billigung liegt nahe, wenn der Täter sein Vorhaben trotz starker Gefährdung des betroffenen Rechtsguts durchführt, ohne auf einen glücklichen Ausgang vertrauen zu können. (Rn. 34 – 38)
     
  4. Bei riskanten Verhaltensweisen im Straßenverkehr, die nicht von vornherein auf die Verletzung einer anderen Person oder die Herbeiführung eines Unfalls angelegt sind, kann eine vom Täter als solche erkannte Eigengefährdung dafür sprechen, dass er auf einen guten Ausgang vertraut (vgl. BGH, Urteil vom 01.03.2018 – 4 StR 158/17, DAR 2018, 377). (Rn. 38)

 

 

 

Tülin Mehmet-Oglou, LL.M., Fachanwältin für Versicherungsrecht und Fachanwältin für Medizinrecht
Tülin Mehmet Oglou, LL.M.