- Das Auslaufen von Öl aus der aufgerissenen Ölwanne eines Fahrzeugs auf den geschotterten Vorplatz eines Gebäudes im Wasserschutzgebiet stellt eine schädliche Bodenveränderung im Sinne des § 2 Abs. 3 BBodSchG dar.
- Der Halter und der Fahrer des Fahrzeugs, aus dessen Ölwanne das Öl ausgetreten ist, sind Verursacher der schädlichen Bodenveränderung i. S. d. § 4 Abs. 3 BBodSchG, denn mit dem Aufreißen der Ölwanne realisiert sich die Betriebsgefahr des Fahrzeugs, die in der Risikosphäre des Fahrzeughalters und -führers liegt.
- Bei der Auswahl des Kostenschuldners für die unmittelbare Ausführung einer notwendigen Bodensanierung steht der Behörde ein weiter Ermessensspielraum zu. Im Rahmen des § 4 Abs. 3 BBodSchG gibt es kein Rangverhältnis bei der Inanspruchnahme zwischen Verhaltensverantwortlichem und Zustandsverantwortlichem.
VG Neustadt (Weinstraße), Urteil vom 26.05.2023 – 4 K 661/22.NW
Problem / Sachverhalt
Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Kostenbescheids, mit dem die untere Bodenschutzbehörde von ihm die Zahlung von 8.917,28 € für eine Bodensanierung nach Verunreinigung durch Öl verlangt.
Am Abend des 11.12.2019 meldete die Polizei dem Beklagten, dass sich das Fahrzeug des Klägers auf einem geschotterten Vorplatz einer Hütte die Ölwanne an einer Metallstange zur Befestigung eines Sonnenschirms, die aus dem Boden ragte, aufgerissen hatte. Der Parkplatz liegt im ausgewiesenen Wasserschutzgebiet.
Am 12.12.2019 wandte sich die untere Bodenschutzbehörde telefonisch an den Kläger und ordnete diesem gegenüber an, dass ein Bodenaushub mit gutachterlicher Begleitung zu veranlassen sei. Der Kläger verwies den Beklagten an seine Versicherung. Der Kläger und die Haftpflichtversicherung teilten der unteren Bodenschutzbehörde sodann mit, diese solle die Sanierung veranlassen, die Haftpflichtversicherung werde die Kosten dann erstatten.
Die untere Bodenschutzbehörde beauftragte sodann ein Ingenieurbüro mit der gutachterlich begleiteten Sanierung. Nach Begutachtung der Unfallstelle vor Ort veranlasste das Ingenieurbüro sodann einen Bodenaushub, der von einem Entsorgungsfachbetrieb am 13.12.2019 durchgeführt wurde. Hierfür stellte der Entsorgungsfachbetrieb insgesamt 6.815,13 € in Rechnung. Für die Sanierungsüberwachung und die Erstellung eines Sanierungsberichts stellte das Ingenieurbüro zudem 1.633,87 € in Rechnung.
Mit Bescheid vom 14.12.2020 forderte die untere Bodenschutzbehörde vom Kläger die Zahlung von 8.449,00 € für die erfolgte Bodensanierung. Der Betrag setzt sich zusammen aus den beiden Rechnungsbeträgen für die Arbeiten des Entsorgungsfachbetriebes und des Ingenieurbüros. Außerdem forderte die untere Bodenschutzbehörde die Zahlung von Gebühren und Fahrtkosten in Höhe von weiteren 468,28 €. Sie habe die Bodensanierung im Wege der unmittelbaren Ausführung für den Kläger veranlasst. Die Sanierung sei eilbedürftig gewesen, da sich das betroffene Grundstück im Wasserschutzgebiet befinde. Das Mineralöl habe eine Gefahr für das Grundwasser dargestellt. Im Boden versickertes Öl könne bei jedem Regenereignis in tiefere Schichten eingetragen werden und schließlich das Grundwasser verunreinigen. Der Kläger sei als Halter des schadensverursachenden Fahrzeugs zum Ersatz der Kosten verpflichtet.
Der Kläger legte gegen den Kostenbescheid am 22.12.2020 vertreten durch seine Haftpflichtversicherung Widerspruch ein. Er komme schon nicht als Störer bzw. Verantwortlicher in Betracht. Verantwortlich sei die Grundstückseigentümerin, denn die Bodensanierung betreffe das Grundstück und nicht das Öl, das aus seinem Fahrzeug ausgelaufen sei. Zudem habe sich das Öl mit Einlaufen in den Boden mit selbigem im Sinne der §§ 948, 947 Bürgerliches Gesetzbuch vermischt und sei damit ins Eigentum der Eigentümerin des Grundstücks übergegangen. Darüber hinaus sei die Gefahr nicht von seinem Fahrzeug ausgegangen, sondern von der Metallstange im Boden, an der die Ölwanne aufgerissen sei. Diese Gefahrenquelle habe ebenfalls der Eigentümer gesetzt und unterhalten.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 06.07.2022 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage.
Entscheidung
Ohne Erfolg. Das VG Neustadt (Weinstraße) bestätigt die Inanspruchnahme des Klägers. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG kann die zuständige Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen die notwendigen Maßnahmen treffen, um die sich aus § 4 BBodSchG ergebenden Pflichten zu erfüllen. § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG bestimmt für den Fall einer bereits eingetretenen Beeinträchtigung, dass der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast sowie dessen Gesamtrechtsnachfolger, der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück verpflichtet sind, den Boden und Altlasten sowie durch schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten verursachte Verunreinigungen von Gewässern so zu sanieren, dass dauerhaft keine Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen.
Vorliegend lagen schädliche Bodenveränderungen im Sinne des § 2 Abs. 3 BBodSchG vor. „Boden“ ist nach der Definition des § 2 Abs. 1 BBodSchG die obere Schicht der Erdkruste, soweit sie „Träger der in Abs. 2 genannten Bodenfunktionen ist“. Darunter fällt die oberste, sichtbare, überbaute oder nicht überbaute Schicht der Erde; die jeweilige Bodenart ist dabei irrelevant. Das Bundesbodenschutzgesetz verfolgt einen funktionalen Ansatz, indem es nicht den Boden an sich zum Schutzgut erklärt, sondern den Schutz seiner Funktionen bezweckt. Dementsprechend ist für die Annahme einer schädlichen Bodenveränderung gemäß § 2 Abs. 3 BBodSchG entscheidend, ob eine Beeinträchtigung der in Absatz 2 genannten Bodenfunktionen vorliegt, die geeignet ist, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen. Geschützt sind nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 b und c BBodSchG u.a. die natürlichen Funktionen des Bodens als Bestandteil des Naturhaushaltes, insbesondere mit seinen Wasser- und Nährstoffkreisläufen sowie als Abbau-, Ausgleichs- und Aufbaumedium für stoffliche Einwirkungen auf Grund der Filter-, Puffer- und Stoffumwandlungseigenschaften, gerade auch zum Schutz des Grundwassers. Bezogen auf den Wasserkreislauf besitzt der Boden u. a. die Fähigkeit, Niederschlagswasser aufzunehmen und es als Sickerwasser nach der Bodenpassage an das Grundwasser und/oder die Oberflächengewässer abzugeben; er schützt zugleich das Grundwasser und die Oberflächengewässer vor Schadstoffeinträgen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1c BBodSchG). Diese Funktion ist in bodenschutzrechtlich relevanter Weise beeinträchtigt, wenn in den Boden Stoffe eingetragen werden, die mit durchsickerndem Niederschlagswasser in den Wasserkreislauf gelangen können und geeignet sind, dort Gefahren oder erhebliche Nachteile hervorzurufen. Angesichts der zentralen Bedeutung der Erhaltung und des Schutzes der natürlichen Wasservorkommen reicht bereits ein nur geringer Grad an Wahrscheinlichkeit einer Verunreinigung des Wassers aus, um ein behördliches Einschreiten zu rechtfertigen.
Der Kläger ist als Halter und Fahrer des Fahrzeugs auch Verursacher der schädlichen Bodenveränderung. Vorliegend hat sich mit dem Aufreißen der Ölwanne die Betriebsgefahr des Fahrzeugs verwirklicht, die in der Risikosphäre des Fahrzeughalters liegt. Hinzu kommt, dass der Kläger selbst der Fahrer war, als solcher über den Schirmständer gefahren ist und so die Ursache für das Aufreißen der Ölwanne und Auslaufen des Öls tatsächlich gesetzt hat. Ob der Kläger in diesem Zusammenhang schuldhaft gehandelt hat, ist unbeachtlich. Denn auf ein etwaiges Verschulden oder eine subjektive Vorhersehbarkeit der Gefahr kommt es im Bereich des Gefahrenabwehrrechts nicht an. Ebenso wenig kommt es auf die vom Kläger angeführten Eigentumsverhältnisse an Öl und Boden an. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG ist unter anderem der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung verpflichtet, den Boden so zu sanieren, dass dauerhaft keine Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen.
Vorliegend kam neben dem Kläger als mögliche Adressatin des Kostenbescheids die Grundstückseigentümerin in Betracht. Die untere Bodenschutzbehörde hat in ihrer Ermessensentscheidung entscheidend darauf abgestellt, dass der Kläger als Halter die Betriebsgefahr für das beschädigte Fahrzeug trug. Diese Begründung ist frei von Ermessensfehlern, da es im Rahmen des § 4 Abs. 3 BBodSchG ein Rangverhältnis bei der Inanspruchnahme zwischen Verhaltensverantwortlichem und Zustandsverantwortlichem nicht gibt.
Praxishinweis
Den Ausgleich zwischen dem Verhaltensstörer und dem Zustandsstörer regelt § 24 Abs. 2 BBodSchG. Mehrere Verpflichtete haben danach unabhängig von ihrer Heranziehung untereinander einen Ausgleichsanspruch. Soweit nichts anderes vereinbart wird, hängt die Verpflichtung zum Ausgleich sowie der Umfang des zu leistenden Ausgleichs davon ab, inwieweit die Gefahr oder der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Der Ausgleichsanspruch verjährt in drei Jahren. Die Verjährung beginnt nach der Beitreibung der Kosten, wenn die Behörde – wie vorliegend – die Maßnahmen selbst ausführt.
Auch wenn dies bisher von der Rechtsprechung nicht entschieden wurde, dürften auch Ausgleichsansprüche nach § 24 Abs. 2 BBodSchG gemäß § 86 Abs. 1 VVG auf den Versicherer übergehen. Im vorliegenden Fall müsste daher der Haftpflichtversicherer eventuelle Ausgleichsansprüche geltend machen.
Zu beachten ist allerdings, dass dem Verursacher im Verhältnis zum bloßen Grundstückseigentümer und Zustandsstörer ein Ausgleichsanspruch nicht zusteht. Denn soweit nichts anderes vereinbart wird, hängt nach § 24 Abs. 2 Satz 2 BBodSchG die Verpflichtung zum Ausgleich sowie der Umfang des zu leistenden Ausgleichs davon ab, inwieweit die Gefahr oder der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.