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Kein Verbraucherbauvertrag bei Vertrag über einzelnes Gewerk eines Neubauvorhabens

Nach § 650i Abs. 1 BGB sind Verbraucherbauverträge Verträge, durch die der Unternehmer von einem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet wird. In Rechtsprechung und Literatur wird die Auffassung vertreten, der Gedanke des Verbraucherschutzes erfordere es, dass § 650i Abs. 1 BGB auch bei gewerkeweise vergebenen Leistungen im Rahmen des Neubaus eines Gebäudes eingreifen zu lassen. Dem hatte sich auch das vorlegende OLG Zweibrücken angeschlossen und aufgrund gegenteiliger Entscheidungen des Kammergerichts die Revision zugelassen. Der BGH hat in seinem Urteil vom 16.03.2023 – VII ZR 94/22 den Streit dahingehend entschieden, dass bei einem Vertrag einen Vertrag über ein einzelnes Gewerk im Rahmen des Neubaus eines Gebäudes kein Verbraucherbauvertrag im Sinne von § 650i Abs. 1 BGB vorliegt.

 

Problem / Sachverhalt:

 

Die Beklagten ließen als private Bauherren einen Neubau errichten. Hierbei vergaben sie die erforderlichen Gewerke an einzelne Bauunternehmer. Die Klägerin wurde dabei mit der Ausführung von Innenputz- und Außenputzarbeiten auf Einheitspreisbasis beauftragt. Nach Ausführung der Arbeiten stellte die Klägerin eine Abschlagsrechnung über insgesamt 29.574,80 € brutto. Die Beklagten zahlten hierauf insgesamt 20.337,61 €. Weitere Zahlungen erbrachten sie zunächst nicht und rügten Mängel. Daraufhin wurden die Beklagten von der Klägerin zur Leistung einer Sicherheit gemäß § 650f Abs. 1 Satz 1 BGB in Höhe von 9.880,05 € aufgefordert. Die Sicherheit wurde nicht gestellt. Im anschließend Rechtstreit zwischen den Parteien verlangt die Klägerin die Stellung der Sicherheit. Das Landgericht Landau spricht der Klägerin den Anspruch zu. Dieser sei nicht nach § 650f Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 BGB ausgeschlossen. Auf die Berufung der Beklagten weist das OLG Zweibrücken die Klage zurück. Es liege trotz des Vertrages über ein einzelnes Gewerk ein Verbraucherbauvertrag im Sinne des § 650i BGB vor.

 

Entscheidung:

 

Der BGH kommt zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 650f Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 BGB nicht vorliegen. Nach dem Wortlaut des § 650i Abs. 1 BGB setzt ein Verbraucherbauvertrag voraus, dass der Unternehmer zum Bau eines neuen Gebäudes verpflichtet wird. Dafür reicht es schon nach dem Wortlaut nicht aus, dass der Unternehmer die Verpflichtung zur Erbringung eines einzelnen Gewerks im Rahmen eines Neubaus eines Gebäudes übernimmt. Darin unterscheidet sich die Vorschrift in entscheidender Weise von dem gleichzeitig in Kraft getretenen § 650a BGB. Dort wird ausdrücklich unter anderem ein Vertrag über die Herstellung eines Bauwerks „oder eines Teils davon“ erfasst. Auch die mit dem Abschluss eines Verbraucherbauvertrags gemäß § 650j BGB i.V.m. Art. 249 § 2 EGBGB verbundene Verpflichtung des Unternehmers, dem Verbraucher eine Baubeschreibung zur Verfügung zu stellen, die mindestens unter anderem Pläne mit Raum- und Flächenangaben sowie Ansichten, Grundrisse und Schnitte enthalten muss, spricht nach Ansicht des BGH für dieses Verständnis. Schließlich stützt auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift eine solche Auslegung. Danach ist der Gesetzgeber bei der an das Recht der Europäischen Union anknüpfenden Definition des Verbraucherbauvertrags in § 650i BGB nicht versehentlich oder aus Unachtsamkeit von der in anderen Vorschriften, insbesondere der in § 650a BGB gewählten Terminologie abgewichen, sondern hat bewusst die eigenständige klare Formulierung gewählt, nach der sich der Unternehmer zum Bau eines neuen Gebäudes verpflichtet haben muss. Soweit in Rechtsprechung und Literatur die Auffassung vertreten wird, der Gedanke des Verbraucherschutzes erfordere es, dass § 650i BGB auch bei gewerkeweise vergebenen Leistungen im Rahmen des Neubaus eines Gebäudes eingreift, weist der BGH darauf hin, dass der Unternehmer aufgrund des Gebots der Rechtsklarheit erkennen können muss, ob und welche Unterrichtungs- und Belehrungspflichten ihn schon im Vorfeld des Vertrages treffen.

 

Praxishinweis:

 

Der Entscheidung ist im Ergebnis und in der Begründung zuzustimmen. Da nach Art. 3 Abs. 3 f) der Verbraucherschutzrichtlinie Verträge über den Bau von neuen Gebäuden und erhebliche Umbaumaßnahmen an bestehenden Gebäuden nicht unter die Richtlinie fallen, musste der BGH die Sache auch nicht dem EuGH vorlegen.


Dr. Ronald M. Roos