Der Bundesrat hat am 16.06.2023 der „Verordnung zur Anpassung des Vergaberechts an die Einführung neuer elektronischer Standardformulare („eForms“) für EU-Bekanntmachungen und an weitere europarechtliche Anforderungen“ zugestimmt. Diese hatte bereits am 27.04.2023 den Bundestag passiert. Die Verordnung sieht unter anderem den Wegfall des § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV vor. In Fachkreisen wird nunmehr diskutiert, ob damit eine Rechtsänderung verbunden ist und Architekten- und Ingenieurleistungen umfassender europaweit ausgeschrieben werden müssen.
§ 3 VgV regelt die Schätzung des Auftragswerts. Dabei ist gemäß § 3 Abs. 1 VgV vom voraussichtlichen Gesamtwert der vorgesehenen Leistung auszugehen und es sind etwaige Optionen oder Vertragsverlängerungen, Prämien oder Zahlungen an den Bewerber oder Bieter zu berücksichtigen. § 3 Abs. 7 VgV regelt die Handhabe in den Fällen, in denen mehrere Lose vergeben werden. In diesem Fall ist gemäß Satz 1 der geschätzte Gesamtwert aller Lose zugrunde zu legen. Nach § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV sind nur die Werte solcher Planungsleistungen zusammenzurechnen, die gleichartig sind.
Satz 2 findet allerdings in Artikel 5 Absatz 8 der Richtlinie 2014/24/EU keine Entsprechung. Die Europäische Kommission hat Satz 2 im Vertragsverletzungsverfahren INFR(2018)2272 beanstandet. Die Aufteilung eines Projektes in Lose dürfe nicht zur Umgehung der Transparenzvorschriften der Richtlinie 2014/24/EU führen. Die Sonderregelung in Satz 2 wird daher in Übereinstimmung mit den europarechtlichen Anforderungen aufgehoben. Damit ist klargestellt, dass für Planungsleistungen grundsätzlich dieselben Regeln zur Auftragswertberechnung für sonstige Dienstleistungen gelten.
Aus Sicht der Bundesregierung ist mit der Aufhebung des § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV eine Änderung des Rechtsrahmens nicht verbunden, da die Feststellung, dass nur die Werte solcher Planungsleistungen zusammenzurechnen sind, die gleichartig sind, lediglich deklaratorisch erfolgt sei.
Denn nach den bisher vorliegenden nationalen Entscheidungen und dem Urteil des EuGH vom 15.03.2012 (Rs. C-574/10) waren grundsätzlich alle Planungsleistungen (z.B. Objektplanung, Tragwerksplanung, TGA-Planung) bei der Ermittlung des Auftragswertes zu berücksichtigen.
Praxishinweis:
Soweit innere Kohärenz und funktionelle Kontinuität nicht zu einem einheitlichen Auftrag führen, können Planungsleistungen und auch sonstige Bau- und Dienstleistungen wie bisher auch nach Wegfall des § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV getrennt betrachtet werden.
Zur Frage, wann eine innere Kohärenz und eine funktionelle Kontinuität nicht zu einem einheitlichen Auftrag führen, beraten wir Sie gerne!