Die Frage der Mitverursachung von Bodenverunreinigungen durch mehrere Handlungsstörer führt in der Praxis immer wieder zu Problemen. Das VG Augsburg hatte nun den Fall zu entscheiden, dass neben der in Anspruch genommenen Antragstellerin auch die Antragsgegnerin selbst als Verursacher der schädlichen Bodenveränderung und damit als Handlungsstörer in Betracht kam.
Problem / Sachverhalt:
1939 bekam die Antragstellerin von der Antragsgegnerin das Recht eingeräumt, den Teil einer 25.000 m³ großen Kiesabbaufläche, die der Antragsgegnerin bis 1943 gehörte, bis zu einer Höchstmenge von 5.000 m³ mit Schutt bis längstens zum 30.06.1940 zu verfüllen. Ein Vermerk aus dem Jahr 1941 belegt, dass das maximale Füllvolumen zu der Zeit erreicht war. Die Antragsgegnerin selbst hat ihrerseits noch bis ca. 1950 ebenfalls Verfüllungen dort vorgenommen. Ab 1950 wurde die Fläche dann mit Wohnhäusern, Parkplätzen, einer Gartenanlage und kleineren baulichen Anlagen bebaut.
Das Umweltamt der Antragsgegnerin führte 2015 eine historische Erkundung durch. Anschließend beauftragte die Antragsgegnerin eine orientierende Untersuchung im Sinne des Bundesbodenschutzgesetzes (BBodSchG) bzw. § 2 Nr. 3 Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV), um festzustellen, ob ein hinreichender Verdacht im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG besteht. Ausweislich des Gutachtens zeigten sich Prüfwertüberschreitungen für Benzo(a)pyren hinsichtlich der Wirkungspfade Boden-Mensch und Boden-Nutzpflanze. Außerdem wurde auf fast allen Grundstücken eine abfallrelevante Schadstoffkonzentration hinsichtlich Arsen, Schwermetallen, PAK und MKW ermittelt. Im Gutachten wird daher für eine abschließende Gefährdungsabschätzung eine vertiefte Detailuntersuchung empfohlen.
Nunmehr nimmt die Antragsgegnerin die Antragstellerin in Anspruch, verpflichtet diese, zur Vorbereitung einer bodenschutzrechtlichen Detailuntersuchung ein Untersuchungskonzept über die Vornahme der Untersuchungen hinsichtlich des Gefährdungspotentials durch die Altablagerung erstellen zu lassen und ordnet die sofortige Vollziehung an. Dagegen erhebt die Antragstellerin Klage, über die noch nicht entschieden ist, und stellt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes den Antrag, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage wiederherzustellen.
Entscheidung:
Ohne Erfolg! Das VG Augsburg weist mit Beschluss vom 20.09.2022 - Au 9 F 22.1480 - den zulässigen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung als unbegründet zurück. Nach § 9 Abs. 2 BBodSchG kann die zuständige Behörde anordnen, dass die in § 4 Abs. 3 BBodSchG genannten Personen die notwendigen Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung durchzuführen haben, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte der hinreichende Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder einer Altlast besteht. Dabei kann verlangt werden, dass die Untersuchungen von Sachverständigen nach § 18 BBodSchG durchgeführt werden (§ 9 Abs. 2 Satz 2 BBodSchG). § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG erlaubt – bei hinreichendem Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast – grundsätzlich nicht nur die behördliche Anordnung einer Detailuntersuchung an sich, sondern auch die vorgelagerte Anordnung einer Konzeptvorlage für eine solche Untersuchung.
Verursacher im Sinne des BBodSchG ist grundsätzlich jede natürliche oder juristische Person, die an einer Bodenkontamination zumindest teilverantwortlich mitgewirkt hat. Diese Mitwirkung kann gleichermaßen durch Handeln, Dulden oder Unterlassen bewirkt werden. Es ist darauf abzustellen, in wessen Risiko- und Pflichtensphäre die Verantwortung für einen gefährlichen Zustand fällt, wobei ein hinreichender enger Wirkungs- und Ursachenzusammenhang zwischen dem Überschreiten der Gefahrengrenze und dem Verhalten einer Person notwendig ist. Dabei ist bei Maßnahmen zur Gefährdungsabschätzung im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG im Hinblick auf eine effiziente Gefahrenabwehr nicht erforderlich, dass die Verursachung dem Adressaten eindeutig nachgewiesen werden muss, vielmehr genügen objektive Faktoren als tragfähige Indizien. Aufgrund des Gebots effektiver Gefahrenabwehr soll die Erforschung der Gefährdung nämlich so wenig wie möglich unter tatsächlichen Schwierigkeiten bei der Feststellung des Verpflichteten leiden; diese Fragen müssen nach der Konzeption des Gesetzgebers nachträglich im Verfahren über die Kostenverteilung nach § 24 Abs. 2 BBodSchG geklärt werden. Dies bedeutet, dass regelmäßig gerade keine weitergehende Ursachenerforschung, die die notwendigen Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung verzögern könnte, erfolgen muss.
Vor diesem Hintergrund ist die Inanspruchnahme der Antragstellerin als Handlungsstörerin im Wege summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat sich, wie dem Akteninhalt und auch der Begründung des Bescheids zu entnehmen ist, ausführlich mit der Frage der Störereigenschaft der Antragstellerin befasst. Die Tatsache, dass die Antragstellerin ausweislich der in den Akten enthaltenen Schriftstücke ca. 5.000 m³ der 25.000 m³ großen ehemaligen Kiesgrube verfüllt hat, lassen ihre Inanspruchnahme als sachgerecht erscheinen.
Auch die Entscheidung zur Störerauswahl ist aus Sicht des VG Augsburg im Wege summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Das BBodSchG macht für die Rangfolge der Inanspruchnahme der Störer keine Vorgaben, sodass grundsätzlich alle in § 4 Abs. 3 BBodSchG genannten Personen gleichrangig nebeneinander verantwortlich sein können. Vorliegend wurden alle möglichen Störer von der Antragsgegnerin erkannt und in eine Auswahlentscheidung einbezogen. Dabei hat sie insbesondere ihre eigene Rolle im Zusammenhang mit der Verfüllung der ehemaligen Kiesgrube gewürdigt und in die Auswahlentscheidung eingestellt. Nachdem nach der Aktenlage jedenfalls von einer (Mit-)Verantwortlichkeit der Antragstellerin ausgegangen werden muss, konnte sie unter Berücksichtigung des Charakters der angeordneten Maßnahme gemäß § 9 Abs. 2 BBodSchG und des öffentlichen Interesses an einer effektiven Gefahrenabwehr rechtsfehlerfrei als Handlungsstörerin in Anspruch genommen werden, selbst wenn unter Umständen auch die Antragsgegnerin selbst als weitere Handlungsstörerin anzusehen sein könnte. Die Inanspruchnahme der Antragstellerin übersteigt auch nicht das Zumutbare und erweist sich im Wege summarischer Prüfung als verhältnismäßig. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin infolge der streitgegenständlichen Verpflichtung zur Erstellung eines Untersuchungskonzepts in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet würde, wurden weder vorgetragen, noch sind solche ersichtlich.
Praxishinweis:
Die Entscheidung bewegt sich im Rahmen der Grundsätze, die das BVerwG entwickelt hat. Hiernach ist auch ein Mitverursacher verantwortlich und kann damit auf die Beseitigung der ganzen Gefahr in Anspruch genommen werden, sofern er einen maßgeblichen und wesentlichen Beitrag an der Bodenverunreinigung hat. Dabei hat das BVerwG einen Mitverursachungsanteil von nur 2% als nicht maßgeblich und wesentlich bewertet. Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin 5.000 m³ der 25.000 m³ großen Kiesgrube mit Abfällen verfüllt, also 20%. Darin ist hat das VG Augsburg einen maßgeblicher und wesentlicher Mitverursachungsbeitrag gesehen.
Bezüglich der Kosten kann die Antragstellerin allerdings die Antragsgegnerin nach § 24 Abs. 2 BBodSchG in Anspruch nehmen. Danach haben mehrere Verpflichtete unabhängig von ihrer Heranziehung untereinander einen Ausgleichsanspruch. Soweit nichts anderes vereinbart wird, hängt die Verpflichtung zum Ausgleich sowie der Umfang des zu leistenden Ausgleichs davon ab, inwieweit die Gefahr oder der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Im Rahmen des zivilgerichtlichen Verfahrens über den Ausgleichsanspruch nach § 24 Abs. 2 BBodSchG obliegt der Antragstellerin allerdings die volle Darlegungs- und Beweislast für den Mitverursachungsanteil der Antragsgegnerin.